„Bitte mit Deckel, bitte mit Sahne, bitte all inclusive.“ Unser Leben ist voller „mit“ – wir wollen immer mehr, immer weiter. Dieser Blog offenbart, wie reizvoll das „ohne“ sein kann. Nicht immer, aber meistens. Er erzählt von dem, was wir wirklich vermissen. Viel Vergnügen beim Lesen!

Hotel ohne Menschen

Ein Lost Place auf den Seychellen

Fotos: Katrin Koster

Eigentlich wollen wir zum Strand. Wäre da nicht dieses verwunschene, leicht überwucherte Pförtnerhäuschen – verlassen und doch randvoll mit Erinnerungen. Kunstvolle Patina auf dem Schild „Security Office“, alte Abrechnungen stapeln sich auf dem Boden, ein zermatschter Stuhl kauert in der Ecke. Wie das Eintrittstor in eine andere Welt. Ein Sandweg führt uns zum einst besten Hotel der Seychellen, dem Berjaya Mahé Beach.

Der Strand ist vergessen, es zieht uns durch das haushohe Grün zu dem 7-stöckigen Betonklotz. 1972 gebaut, sieht das Mahé Beach vom Wasser aus wie ein gestrandetes Passagierschiff. Alle Zimmer haben Meerblick, in etlichen Dekorationen taucht Neptuns Reich auf. Und wenn man über die Empfangstreppe schreitet, fühlt man sich tatsächlich wie auf der Titanic.

Nur dass alle Passagiere schon längst von Bord gegangen sind. 2008 kamen die letzten Gäste; heute sind fast alle Scheiben zerschlagen und die ozeangrünen Türen hängen kraftlos in den Angeln. Wie luxuriös die Ferien hier früher waren, erzählen Schilder, die zum „Jackpot Room“ mit edler Bar und Holzparkett führen oder in die Bibliothek, in der Schiffsmodelle und schwere Sessel standen. An den einarmigen Banditen versucht niemand mehr sein Glück. Verwaist ist die hoteleigene Tauchbasis, ebenso wie das schicke Sonnendeck oberhalb des Pools, der damals mit 100 Quadratmetern zu den größten auf der Insel gehörte. Im Spa wird nicht mehr entspannt und der tropische Garten neben dem fischreichen Flüsschen existiert nur noch in zerknitterten Prospekten.

Wir sind allein in diesem Hotel ohne Menschen, klettern in die tiefsten Küchenkeller und ganz nach oben aufs Dach, wo der Ausblick und die Stille uns gefangen nehmen. Im Raum des „Chief Engineers“ scheinen die Zimmermädchen nur kurz ihre Namensschilder hingeworfen zu haben: Fatima, Emeline, Lucia und Farida sind jedoch nicht mehr da. Auf dem Weg zu den Luxussuiten hoffen wir trotzdem, jemandem zu begegnen, der uns erklären kann, warum dieses Hotel untergegangen ist.

Wir bleiben allein. Stunden sind vergangen, hunderte Fotos entstanden. Noch mal durch den Pool ohne Wasser laufen, die Sternendecke der Disco bewundern und in alten Abrechnungen hinterm Tresen in der großen Lobby blättern. Irgendwann geht es runter zum Strand und weiter ins nahegelegene Port Glaud. Dabei fliegt der Blick immer wieder zurück zur mächtigen Fassade, die sich ungerührt an die Felsen lehnt. Und in das Rauschen der Wellen mischt sich der Gedanke, wie es wäre, als Zeitreisende zurückzukehren. In eine Ära, in der das Berjaya Mahé Beach wie ein Ozeanriese leuchtete und Fernreisen etwas Kostbares waren.

 

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