„Bitte mit Deckel, bitte mit Sahne, bitte all inclusive.“ Unser Leben ist voller „mit“ – wir wollen immer mehr, immer weiter. Dieser Blog offenbart, wie reizvoll das „ohne“ sein kann. Nicht immer, aber meistens. Er erzählt von dem, was wir wirklich vermissen. Viel Vergnügen beim Lesen!

Tauchen ohne Guide

Allein auf Bonaire

Blick auf einen Strand mit zwei Palmen
Fotos: Oliver Koster
Zwei lebenswichtige Regeln: Tauche nicht allein und mach Dich mit dem Spot vertraut. Erstens ist leicht: Meinen Best Buddy habe ich bei mir. Der zweite Punkt wird schwieriger: Über Wasser sieht es immer anders aus als unter der Oberfläche und Tauchplatzbeschreibungen sind oft wahre Prosa. Doch genau das ist das Abenteuer: Tauchen ohne eine Person, die vorweg schwebt und hier unten jeden Felsen kennt – was natürlich auch seine Pluspunkte hat.
 
Wir sind auf Bonaire, einem felsigen Eiland in der Karibik. Kein Mensch weit und breit. Die Wellen rollen sanft zum Ufer – und wieder zurück. Hier markieren gelb bemalte Steine an der Straße Tauchplätze wie „Candyland“ und „Pink Beach“. So bunt wie das klingt, so ist es unter Wasser auch. Und es ist völlig legal, hier ohne Guide abzutauchen, die Unterwasserwelt selbst zu erkunden. Ganz entspannt, im eigenen Tempo.
 
Deshalb haben wir unser Herz an dieses schroffe Stück Land verloren. Einfach mit dem Pick-up über die Insel fahren und dort anhalten, wo es uns gefällt. Zurücksetzen, Heckklappe öffnen, rein ins Neopren. Tauchgerödel zusammenbauen, Buddy-Check und los.
 
Tauchen ohne Guide ist wie Fahren ohne Navi. Entfernungen sollte man gut einschätzen können und etwas Orientierung ist auch nicht schlecht. Kommunikation zählt – über und unter Wasser. Zuvor besprechen wir, wie lange wir in eine Richtung tauchen wollen und wie tief in etwa. Nach dem Abtauchen dann das Feintuning. Denn plötzlich ist die Sicht doch anders oder eine Strömung schiebt sich uns entgegen. Wer seinen Tauchpartner kennt, versteht auch unter Wasser jedes Achselzucken oder den schiefgelegten Kopf. Für den Anfang gibt es kleine Schreibtafeln – falls es mit der Verständigung mal hakt.
 
Jeder Tauchgang ist anders und wir können selbst entscheiden, wie lang er wird. Keine Gruppendynamik, nur wir und die blaue Weite. Wenn sich plötzlich ein Seepferdchen in unser Sichtfeld schlängelt, können wir es so lange bewundern, wie die Luft reicht. Oder – unvergessen – wir tanzen mit einer Sepia-Gang am „Salt Pier“, einer Anlegestelle für die Schiffe, die das Gold der Insel abtransportieren: das Meersalz. Hier, in einem Gewirr aus Stangen und Pfeilern, ist extrem viel los. Knallbunte Schwärme ziehen vorbei und tief unten döst ein Blaupunktrochen, fast verdeckt vom weißen Sand. Entspannt schwimmt eine Schildkröte an die Oberfläche.
 
Irgendwie, irgendwo, irgendwann

Anders als bei organisierten Touren entscheiden wir, wann es losgeht und wohin. Nach Lust und Laune, beim Wachwerden. So zieht es uns früh am Morgen zum Wrack der Hilma Hooker, die Stille von oben setzt sich auch unten fort. Wir wecken ein paar Tarpone – Beinlange silberne Wesen, die im Schatten des Wracks zuhause sind.

Das größte Spektakel allerdings erwartet Taucher auf Bonaire etwa vierzig Minuten nach Sonnenuntergang, zwei bis fünf Tage nach Vollmond. Fluro-Disko unter Wasser: Hunderte Ostracods, kleine Krebse, die wie Glühwürmchen leuchten, und nach oben aufsteigen, um sich zu paaren. In etwa sieben Metern „Tiefe“ hängen wir gebannt über Weichkorallen, lassen uns einfangen vom unwirklichen Schauspiel. Wenn man danach auftaucht und die Milchstraße über sich sieht, fehlen die Worte. Und auch das ein Pluspunkt beim einsamen Tauchen – man kann das Erlebte ganz still genießen.

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